Promoviert an der HAW

Verena Sablotny-Wackershauser: "Ich habe jede Menge Stress- und Frustphasen überstanden, und mich selbst neu kennengelernt"

Von Claudia Aldinger | 16. September 2020

Promovieren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften – dafür entscheiden sich immer mehr junge Forscherinnen und Forscher. Welches Thema haben sie gewählt? Wie ist es Ihnen auf diesem akademischen Weg ergangen und würden sie sich wieder dafür entscheiden?

Das KAT-Netzwerk fragt Promovendinnen und Promovenden der vier Hochschulen Sachsen-Anhalts, wie Verena Sablotny-Wackershauser:

Frau Sablotny-Wackershauser, wie heißt das Thema Ihrer Promotion genau und welche Hochschulen/Institute sind beteiligt?

Der Titel meiner Dissertation lautet "Preference (In-)Stability: A Matter of Context". Die Dissertation enthält 6 Forschungsarbeiten, die den Bereichen Konsumentenforschung, Marketing und Marktforschungsmethodik zuzuordnen sind. Meine Promotion läuft in Kooperation mit zwei Hochschulen – der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und der Hochschule Harz Wernigerode.

Was ist leichter als anfangs gedacht?

Puh, das ist eine gute Frage. Möglicherweise der Umgang miteinander – ob innerhalb des Lehrstuhls oder zwischen verschiedenen Lehrstühlen oder auch innerhalb einer Hochschuleinreichung oder zwischen Hochschuleinrichungen (in meinem Fall Universität Magdeburg, Hochschule Harz). Trotz starker, hierarchischer Strukturen laufen die Projektarbeiten zumeist auf Augenhöhe.

Was ist schwerer als anfangs gedacht?

Die Arbeit im Zuge der Promotion lässt alles missen, was man im Projektmanagement als wichtig erachten würde: Man startet mit einer abstrakten Zielvorstellung; man kann seinen Fortschritt nur vage (wenn überhaupt) einschätzen; häufig startet man nach Ablauf eines Projektes wieder bei Null, weil die Ergebnisse nicht das widerspiegeln, was man erwartet hätte; man kann erst nach mehreren Monaten bis Jahren auf Erfahrungswerte zurückgreifen, die eine realistische Zeitplanung für die einzelnen Projektabläufe zulassen; es gibt keine "gesetzten" Meilensteine (wie bspw. im Studium die Prüfungszeit nach einem Semester), anhand derer man das Gefühl erhalten kann "weitergekommen zu sein"; es gibt keinen Druck von außen – für das Vorankommen ist man zu 100% selbst zuständig; es gibt kaum Vergleichsmöglichkeiten, da jede Promotion anders abläuft. Vor diesem Hintergrund das Projekt "Promotion" über mehrere Jahre durchzuziehen hat mir dabei schon viel abverlangt. Dabei war es insbesondere schwer, sich jeden Tag auf's Neue zu motivieren, insbesondere dann, wenn man Rückschläge einzustecken hatte (die im Verlauf der Promotion auch nicht unüblich sind).

„Ich habe Erfahrungen mit verschiedenen Auslandsaufenthalten gemacht, Präsentationen gehalten, Projekte unterstützt und eigenständig geleitet, jede Menge Stress- und Frustphasen überstanden, und mich selbst neu kennengelernt.“ Verena Sablotny-Wackershauser, Promovendin der Hochschule Harz

Hätten Sie sich auch ohne Graduiertenförderung für die Promotion entschieden?

Ja, hätte ich. Trotzdem bin ich sehr glücklich, die Graduiertenförderung erhalten zu haben, da ich so einen Großteil meiner Zeit aktiv in meine Forschungsprojekte investieren konnte. Schlussendlich konnte ich nur so meine Dissertationsschrift in 3,5 Jahren einreichen.

Angenommen, Sie stünden wieder vor der Entscheidung zu promovieren: Würden Sie diesen Schritt wieder gehen?

In meinem jetzigen Alter und meiner jetzigen Lebenssituation würde ich mich nicht mehr für eine Promotion entscheiden. Wäre die Situation aber dieselbe wie damals, als ich mich zum ersten Mal dafür entschieden habe, würde ich mich wieder dafür entscheiden. Über die Promotion habe ich sehr viele wichtige Erfahrungen gesammelt, die mich in meiner persönlichen Entwicklung vorangebracht haben und die ich für mein weiteres Leben als nützlich erachte. Ich habe Erfahrungen mit verschiedenen Auslandsaufenthalten gemacht, Präsentationen gehalten, Projekte unterstützt und eigenständig geleitet, jede Menge Stress- und Frustphasen überstanden, und mich selbst neu kennengelernt – ich habe bewusst erfahren, was ich brauche, um effektiv und mit Freude arbeiten zu können und verstanden, dass ich mir dieses Umfeld (zu einem großen Teil) selbst schaffen kann. Ich habe viele, phantastische Menschen kennengelernt, die mich gelehrt haben, auch in Ausnahmesituationen widerstandsfähig zu bleiben. Alles in allem habe ich das Gefühl, mich nun sehr viel besser zu kennen und so auch klarer zu wissen, was ich mir für meine Zukunft wünsche.

Und was ist das?

Ich wünsche mir ein wertschätzendes Umfeld, in dem ich gefördert und gefordert werde und in dem ich Verantwortung übernehmen kann. Ebenso wie man sich auf mich verlassen können soll, möchte ich mich auf meine Kollegen und Vorgesetzten verlassen können. Ich möchte auch weiterhin Spaß an der Arbeit haben und das Gefühl haben, meine Energie für etwas Sinnhaftes einzusetzen. Ein Großteil machen für mich hier die Menschen aus, mit denen und für die ich tätig bin. Idealerweise hat man das Gefühl gemeinsam an einem Strang zu ziehen und so auch stürmische Zeiten gut überstehen zu können.

Wie sind die Perspektiven nach der Promotion? Wie wird es jetzt für Sie weitergehen?

Also Perspektiven nach der Promotion gibt es meiner Ansicht nach recht viele. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, als post doc den wissenschaftlichen Weg direkt an der Otto-von-Guericke Universität weiterzuverfolgen, habe diese Möglichkeit aber erstmal zu Gunsten eines Jobs in der Wirtschaft abgelehnt. Dass ich auf diesen Weg zukünftig wieder zurückkommen könnte, schließe ich aber nicht aus. Ebenso kann ich mir nach einigen Jahren in der Wirtschaft auch eine FH-Professur gut vorstellen. Das ist aber alles noch Zukunftsmusik, die in weiter Ferne spielt. Viel konkreter sind für mich die nächsten Schritte: Ich habe erst gestern meinen Arbeitsvertrag für den Einstieg in die Wirtschaft unterschrieben und werde in 2 Monaten als Vorstandsassistenz bzw. Projektleitung Strategische Entwicklung für ein neu-gegründetes Start-Up im Gesundheitsbereich tätig werden. Ich bin schon super gespannt, was mich erwartet.

Frau Sablotny-Wackershauser, vielen Dank!

spc

Informationen und Kontakt

Informationen zu den Promovenden der Hochschule Harz unter: https://www.hs-harz.de/forschung/graduiertenfoerderung/stipendiaten/

 

Verena Sablotny-Wackershauser ist zu erreichen unter: vsablotnywackershauser@hs-harz.de

 

Text und Bilder (soweit nicht anders benannt): Claudia Aldinger

Promotionen waren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) lange Zeit nur durch Kooperationen mit Universitäten möglich. Das Promotionsrecht lag allein bei den Universitäten. Dies hat sich in Sachsen-Anhalt mit dem neuen Hochschulgesetz im Mai 2020 geändert: Jetzt können auch Fachhochschulen das Promotionsrecht für sich beanspruchen. Details dazu auf der Seite des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung.

Das Bundesland Hessen hatte sein Hochschulgesetz bereits 2016 insoweit angepasst, dass HAW unter bestimmten Bedingungen ein Promotionsrecht zuerkannt werden kann.