Hochschule Magdeburg-Stendal

Kunststoff-Recycling: Gelb zu Gelb, Blau zu Blau

Von Claudia Aldinger | 20. Mai 2020

Gelb, Blau, Rot, Grün – bei der Herstellung bekommt jede Verpackung ihre eigene Farbe. Beim Recycling schmelzen diese in der Regel zu einem hellen oder dunklen Grau zusammen. Die Verpackungsindustrie fordert jedoch einfarbige oder zumindest helle Recyclate, denen dann teure Farbzusätze beigegeben werden müssen. Wie man solche Ressourcen sparen und die Farben aus Verpackungsabfällen besser nutzen kann, erforschen Wissenschaftler:innen der Hochschule Magdeburg-Stendal in der Arbeitsgruppe Rohstoffwerkstatt. Einen Grundstein ihrer heutigen Expertise legten sie in einem FuE-Projekt mit dem Kunststoff-Recycler, der Multiport GmbH, in Bernburg, heute ein Unternehmen der VEOLIA. 

Recyclate mit und ohne Farbe

Aus ganz Europa liefern LKWs die Verpackungsabfälle auf dem Hof von Multiport in Bernburg an. Die großen Ballen werden geöffnet und auf störende Bestandteile untersucht. Anschließend beginnt der Aufbereitungsprozess: zerkleinern zu Mahlgut, waschen, trennen. Hart-Polyethylen (HDPE) und Polypropylen (PP) schwimmen oben, Polyethylenterephthalat (PET) und andere Kunststoffe sowie Störstoffe sinken im Wasser ab. Aus dem aufbereiteten Mahlgut produziert Multiport ein sogenanntes Compound, überwiegend in den Farben schwarz und grau oder eben wieder eingefärbte Compounds an. Die dazu notwendigen Farb-Batches sind für das Unternehmen ein nicht unerheblicher Posten. "Deshalb wollten wir wissen, ob die Sortiermaschinen nicht viel genauer arbeiten können", blickt der Geschäftsführer des Bernburger Recyclingunternehmens, Dr.-Ing. Herbert Snell, auf die Zeit in 2015/2016 zurück, als er sich Unterstützung bei Prof. Dr.-Ing. Gilian Gerke holte, Professorin für Ressourcenwirtschaft an der Hochschule Magdeburg-Stendal.  

Einmalige Farbbibliothek für die Kreislaufwirtschaft

Welche Farben sind in einem Ballen mit Plastik-Abfall überhaupt enthalten? Das war eine der ersten Fragen für die Wissenschaftler:innen, die sie in Kleinstarbeit klärten: "Wir haben die Ballen in unser Labor geholt, Proben aus den Verpackungen geschnitten und nach Farbenlehre sortiert", erklärt Prof. Dr.-Ing. Gilian Gerke, die das ZIM-Projekt leitete. Die daraus entstandene Farbbibliothek ist bis heute einmalig und hat der Hochschule in Wissenschaft und Wirtschaft Aufmerksamkeit verschafft. Die entscheidenden Fragen für Dr.-Ing. Herbert Snell von Multiport war nun: Lassen sich die vorhandenen Farben nutzen? Auf welche Farbspektren muss ein Farbsortierer zielen, um daraus ein gelbes oder blaues Recyclingprodukt anzubieten? Und wie verändert sich das Recyclat, wenn nach Farben sortiert wird?

"Deshalb wollten wir wissen, ob die Sortiermaschinen nicht viel genauer arbeiten können", Dr.-Ing. Herbert Snell, Geschäftsführer des Bernburger Recyclingunternehmens Multiport.

Neue Erkenntnisse und Fachkräftesicherung

Die Antworten lieferten verschiedene Tests im Labor der Hochschule, bei Herstellern von Farbsortierern und in Bernburg vor Ort. "Was uns sehr geholfen hat, war die Analyse, was ist überhaupt an Farbe vorhanden, wie kann ich darauf aufbauend andere Farben erzeugen. Auch das Ergebnis hat uns natürlich geholfen, das da heißt: ein bestimmtes Blau oder Rot heraussortieren und mit wenig Farbe zu einem farbigen Compound zu verarbeiten, macht eigentlich keinen Sinn, weil zu wenig enthalten ist", sagt Dr.-Ing. Herbert Snell. "Aus einem gelben wieder ein gelbes Produkt herzustellen, ist für uns also momentan nicht wirtschaftlich", ergänzt Kathrin Henschel. Sie ist Absolventin der Hochschule Magdeburg-Stendal und quasi mit dem FuE-Projekt bei Multiport eingestiegen. Manchmal gehen Erkenntnisgewinn aus Forschung und Fachkräftesicherung Hand in Hand. 

Nicht alle Kunststoffe können recycelt werden – Neue Forschungsfragen

"Natürlich sehen wir unsere Arbeit als Beitrag für eine bessere Ressourcenwirtschaft", sagt Prof. Dr.-Ing. Gilian Gerke, die in der Öffentlichkeit auch immer wieder wegen ihres Engagements gegen Plastik in den Weltmeeren steht. "Entscheidend ist doch aber, dass wir inzwischen zu wenige Verpackungen einsammeln. Die Qualität der Abfälle wird nachweislich schlechter und das ist ein Problem für die Recycler, die wirtschaftlich arbeiten müssen." Wenn mehr Plastik wiederverwendet werden soll, müssten sich darüber hinaus Hersteller und Recycler besser über die Zusammensetzung des Materials abstimmen. Eine Forderung, die der Fachverband für Kunststoffrecycling im bvse seit längerem stellt. Dem Verband gehören auch die Unternehmen Multiport und das Schwesterunternehmen MultiPet am Standort Bernburg an. Hier arbeitet man inzwischen gemeinsam mit der Hochschule Magdeburg-Stendal an einer Rezeptur für ein Regranulat aus Salatschalen. Die PET-Verpackung wird zwar zu Hauf hergestellt, war aber bislang kaum recycelbar. "Es gibt noch viele offene Fragen, für die wir das Knowhow der Hochschule brauchen, denn wir haben keine eigene Forschungsabteilung, auf die wir zurückgreifen können", so Dr.-Ing. Herbert Snell.

 

Informationen und Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Gilian Gerke, 0391-8864369, gilian.gerke@hs-magdeburg.de, Hochschule Magdeburg-Stendal, Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit: https://www.hs-magdeburg.de/hochschule/fachbereiche/wasser-umwelt-bau-und-sicherheit.html

Dr.-Ing. Herbert Snell, Geschäftsführer der Multiport GmbH & MultiPet GmbH in Bernburg (VEOLIA), 03471-6404-0, herbert.snell@veolia.com

Kathrin Henschel, Assistentin der Geschäftsführung bei Multiport & MultiPet, 03471-64041341, kathrin.henschel@veolia.com

Multiport GmbH & MultiPet GmbH in Bernburg (VEOLIA): https://www.veolia.de/kunststoffrecycling

 

 

Text und Bilder (soweit nicht anders benannt): Claudia Aldinger

 

 

Über die Forschung in den Laboren zum Thema Abwasser, Abfälle, Recycling und Entsorgung hat das KAT-Netzwerk umfangreich auch 2017 berichtet. Mehr lesen.